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Wieso “Vermächtnis”?

...und nicht Erbe?

Vermächtnis | Erbe | Nachlass | Testament

Bei digitalen Dingen bewegen wir uns in einer Grauzone.

Gesetzgeber, tue was!

Vermächtnisnehmer vs. Erbe

Nachlass und Testament

Es hat lange gedauert, bis man sich bewusst wurde - bei seinem Tod hinterlässt der Erblasser nicht nur materielle Sachen und Forderungen, sondern auch immaterielle, wie z.B. eine Sammlung von 10.000 Fotos bei Flickr, oder ein Nutzerkonto bei Bahn.de. Wie möchte man so etwas der Nachwelt übergeben?

Allgemein wird angenommen, dass die Stellung eines Erben rechtlich mehr Gewicht hat, als die eines Vermächtnisnehmers. In der Regel ist das wohl so. Andererseits genießt der Vermächtnisnehmer auch Vorteile: Er muss sich nicht um eventuelle Schulden und Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers kümmern und haftet niemals mit seinem eigenen Vermögen. Auch kann er sich aus den häufig unangenehmen Aufteilung des Nachlasses heraus halten.

Unter Nachlass versteht man oft das gesamte Vermögen eines Verstorbenen. Nachlass kann aber auch seine Korrespondenz, Briefe, Fotos sein. Wir zählen an dieser Stelle auch die Internet-relevanten Dinge zum Nachlass. Digitaler Nachlass (s. Artikel auf Wikipedia) und digitales Vermächtnis sind weitgehend gleich.

Im Testament werden zu Lebzeiten Verfügungen von Todes wegen getroffen. Ein Vermächtnis kann Teil des Testaments sein. Für das digitale Vermächtnis, das möglicherweise aus zahlreichen kleinen Details besteht, wird das notariell beglaubigte Testament nicht empfohlen, da jede Änderung Geld kostet. Möglich wäre “Mit der Erfüllung meines digitalen Vermächtnisses beauftrage ich XY.” Die Details können separat schriftlich niedergelegt werden.

Verfügung für den Todesfall

Kennen Sie die fremden Gesetze?

An dieser Stelle müssen wir innehalten und annehmen, der Erblasser habe in Sachen digitalem Vermächtnis alles richtig gemacht. Die Passwortliste mit allen Details wurde erstellt, und die Benennung eines Vermächtnisnehmers hat stattgefunden. Letzterer hat die Passwortliste nach dem Tod des Betroffenen in Besitz genommen, und die Erbberechtigten haben damit kein Problem, fechten nichts an und tragen alle Entscheidungen mit. Friede, Freude, Eierkuchen?

Keineswegs. Das ist zwar schon die halbe Miete, aber mehr nicht. Nun müssen die Dienstanbieter im Internet einer nach dem anderen kontaktiert werden - zwecks Löschung und Beendigung, oder Herausgabe, oder Weiterführung (von besagter Fotosammlung), oder was auch immer. Vermutlich sind die Dienstanbieter nicht alle in Deutschland oder der EU ansässig, sondern über die ganze Welt verstreut.

Kennen Sie beispielsweise die Gesetze des Staates Kalifornien? Selbst wenn Sie einen Anwalt in Los Angeles haben, was ziemlich unwahrscheinlich ist, sind Sie längst nicht aus dem Schneider. Statt der lokalen Gesetze sind vermutlich die AGBs, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Erblasser vor Jahren ohne zu lesen mit einem Klick akzeptiert hat, maßgeblich. Und da kann beispielsweise wie im Fall Yahoo drinstehen:

Yahoo! AGB: Abs. 5.4. ”Ein Account ist nicht übertragbar, und alle Rechte an dem Account und den gespeicherten Inhalten erlöschen mit dem Tod des Nutzers.“ (Quelle)

Spätestens jetzt, oder spätestens dann, wenn man vom Vermächtnisnehmer eine beglaubigte Kopie der Sterbeurkunde in englischer Übersetzung verlangt, wird jeder bereit sein, das Handtuch zu werfen.

Das Internet - ein Dschungel!

Es gilt das Recht des Stärkeren. Zählen Sie ab sofort bis 10, bevor Sie sich irgendwo neu anmelden!
Jedoch: Es gibt auch positive Beispiele. Bei Google z.B. kann der Erblasser im Vorfeld wirksame Verfügungen treffen.

Wie verhalten Sie sich bei Domains, Websites, E-Mails?

Domains wie z.B. www.wunschname.de haben rechtlich eine andere Qualität als etwa eine E-Mail. Domains sind vererbbar und gehen im Todesfall auf die Erben über, mit allen Rechten der Nutzung, des Verkaufs, der Kündigung. Das Thema E-Mails ist sehr komplex und kann hier nicht im Detail behandelt werden. Gesendete und empfangene E-Mails, die sich auf der Festplatte des Rechners befinden, sind jedenfalls Bestandteil der Erbmasse und werden vererbt. Wie E-Mails, die nach dem Tod des Nutzers auf dem Server auflaufen, zu behandeln sind, ist umstritten. Yahoo (Flickr) ist laut AGB der Auffassung, dass mit dem Tod sämtliche Rechte erlöschen, ein absoluter Skandal!

Bei bestehenden Internetseiten muss der Erbe relativ schnell aktiv werden, beispielsweise muss er binnen sechs Wochen das Impressum ändern - keine leichte Aufgabe für den Laien. Am Beispiel von Strato werde ich versuchen, die sehr unübersichtliche Situation transparent zu machen. Man muss ich klarmachen, dass jeder, der eine “Homepage” hat, plötzlich ein Presseorgan ist. Erhellend sind die Ausführungen von Zecher Anwaltskanzlei: “Der Tod und das Internet”.

Als Erbe oder Vermächtnisnehmer müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie möglicherweise gegen die AGBs von Anbietern verstoßen, wenn Sie sich mit den Zugangsdaten des Verstorbenen in dessen Konto einloggen und dort etwas verändern (beispielsweise das Konto deaktivieren oder löschen). Falls Sie etwas ängstlich sind und das Risiko nicht eingehen wollen, mag es sinnvoll sein, den Kundenservice des Anbieters zu kontaktieren.

Die Schriftlichkeit

Wenn Sie die Möglichkeit haben, Konten/Accounts im Internet zu kündigen, ist gegen diese Methode nichts einzuwenden. Falls Sie die geringsten Zweifel haben, insbesondere bei Verträgen, die eine bestimmte Laufzeit haben, bei denen Kosten, Gebühren anfallen, sollten Sie die Kündigung schriftlich per Post machen, per Einschreiben mit Rückschein.

Die Hinterbliebenen sind in einer schwachen Position

Die Lage der Hinterbliebenen ist umso schwächer, je weniger Vorsorge der Erblasser getroffen hat. Die Erben ahnen nicht einmal, wo es Accounts gibt, um die sie sich kümmern müssen. Noch weniger kennen sie die Geschäftsbedingungen der verschiedenen Internetanbieter, wissen nicht, wo sie suchen müssen. Oft stehen die relevanten Regelungen nicht einmal in den AGBs der Anbieter. Bei ausländische Anbietern wird die Lage schier hoffnungslos, und es gibt Anbieter, die machen es den Nutzern absichtlich schwer, ihren Account zu löschen... reden um den heißen Brei herum, z. B. von “deaktivieren”, was nicht dasselbe ist. 

Dieses Problem ist in der deutschen Gesellschaft noch nicht angekommen. Bundesregierung und der Bundestag lassen z. B. mit der Website surfer-haben-rechte.de zwar erkennen, dass sie das Thema ernstnehmen, jedoch sind dies nur erste Anfänge. Hier muss noch sehr viel geschehen. Allerdings kann der deutsche Gesetzgeber nicht Regeln für ein globales Netzwerk aufstellen.

Es ist eine erfreuliche Entwicklung, wenn Serviceanbieter wie Google mit dem Kontoinaktivitäts-Manager transparente Regeln aufstellen. Auch Facebook hat erkannt, dass es möglich sein muss, Regeln zu schaffen. Generell sollte es möglich sein, bestehende Accounts zu Lebzeiten zu lösche, oder sie von den Hinterbliebene löschen zu lassen. Es sollte möglich sein, Accounts zu schließen, aber noch weitere 50 Jahre aktiv zu halten - falls es der Nutzer so gewollt hat. Grundsätzlich braucht es eine gesetzliche Regelung, wonach digitale Nachlässe nicht anders zu behandeln sind als materielle. Absolut undenkbar ist eine Regelung à la Yahoo! bei der sämtliche Rechte des Nutzers bei dessen Tod erlöschen, sich quasi in Luft auflösen, und Yahoo kann mit den Daten schalten und walten wie sie wollen. Allein schon der gesetzliche Urheberrechtschutz spricht gegen eine derartige Vorgehensweise!

Man kann es drehen und wenden wie man will - in diesem Drama, genannt digitales Vermächtnis - gibt es zahlreiche Mitspieler. Der einzige jedoch, der zählbare Wirkungstreffer heute schon erzielen kann, ist der aufmerksame Nutzer, der sein digitales Haus zu Lebzeiten bestellt.

Neun von zehn Internetnutzern haben ihren digitalen Nachlass nicht geregelt

Sorglos, über den Tod hinaus: In einer neuen Umfrage vom Mai 2015 sagen erschreckend viele Menschen, dass sie nicht wissen, wie sie sich dem schwierigen Thema digitaler Nachlass nähern sollen. Da der Gesetzgeber seiner Verantwortung nicht gerecht wird, sehen sich viele Erben der überwältigenden Macht der Serviceanbieter ausgeliefert. Lesen Sie den Bericht. Die Kommentare des NDR werden dem schwierigen Thema allerdings nicht völlig gerecht, bzw. sie bieten nicht viel Neues.

“Es heißt, täglich sterben 10.000 Facebook-Nutzer. Das ist zweifellos schockierend, nicht wahr? - Ihre Hinterbliebenen stehen demnächst vor sehr großen Rätseln und Ihre Daten in der Cloud sind für sie  unerreichbar - es sei denn, sie tun etwas. - Jetzt!”

- Dieter Müller, Herausgeber von Digitales-Vermaechtnis.de

Dieter Müller